Global verstirbt jede Minute ein Mensch an den Folgen einer HIV-Infektion. Um dies zu verbessern, hat UNAIDS (Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS) bis 2030 das “95-95-95-Ziel” ausgerufen. Demnach sollen 95% aller Infizierten weltweit eine Diagnose erhalten. Von diesen sollen wiederum 95% eine Antiretrovirale Therapie erhalten und von diesen sollen 95% so gut auf die Therapie reagieren, dass ihre Viruslast sehr gering ist.
Um HIV weltweit wirksam zu bekämpfen fehlt es in vielen Ländern des globalen Südens, vor allem in Afrika, an gut ausgebauten Gesundheitssystemen. Deshalb plädiert Janina Steinert für eine Ausweitung der Investitionen hier. Ein zweites Problem bleibt nach wie vor die Stigmatisierung von HIV-Patient*innen. Diese kann Infizierte davon abhalten, regelmäßig Medikamente einzunehmen oder auch sich testen zu lassen.
Viele Menschen, die Zugang zu Antiretroviraler Therapie haben, werden niemals an AIDS erkranken, erklärt Janina Steinert. Durch Zugang zu Antiretroviraler Therapie haben Menschen, die mit HIV leben inzwischen eine gleich hohe Lebenserwartung wie Menschen, die nicht mit HIV infiziert sind. Eine weitere wichtige Errungenschaft ist auch das Prinzip von “U=U” – “Undetectable = Untransmittable”. Dies bedeutet, dass HIV-Patient*innen deren Viruslast durch die Therapie gering gehalten wird auch bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr einen HIV-negativen Partner nicht mehr infizieren können.
Trotz dieser allgemein positiven Entwicklung gibt es Risikopopulationen, in denen die HIV-Infektionsrate nach wie vor hoch ist. Dazu gehören Sexarbeiter*innen, Männer, die Sex mit Männern haben, und Menschen, die Drogen injizieren. Hier ist ein wichtiger Schritt die Entkriminalisierung. Dadurch können die betroffenen Risikopopulationen bessen Zugang zu Gesundheitssystemen und Präventionsleistungen, wie Präexpositionsprophylaxe (PrEP), erlangen.
Auf diese Risikogruppen sollte besonders im globalen Norden bei Präventionsmaßnahmen der Fokus gerichtet werden. Im global Süden sind die wichtigste Risikogruppe allerdings jugendliche Mädchen und junge Frauen. Ein großer Faktor, neben einem nötigen Ausbau der Gesundheitsversorgung, ist hier die Bekämpfung von ökonomischer Abhängigkeit von männlichen Sexualpartnern. Diese könnte durch effektive Entwicklungszusammenarbeit verbessert werden, die Frauen ökonomisch stärkt.
Auch politische Maßnahmen sind bei der Bekämpfung von HIV/AIDS notwendig. Ein wichtiger Schritt war beispielsweise die 2007 von US-Präsident Bill Clinton gestützte Aufhebung der Patente auf HIV-Medikamente. Dadurch konnten auch erkrankte Menschen in afrikanischen Ländern Zugang zu der lebensrettenden Therapie erhalten. Die Folgen davon sind enorm: die durchschnittliche Lebenserwartung ist in vielen Ländern in Subsahara-Afrika seit der Aufhebung der Patente um 10 Jahre gestiegen.
Damit schlägt Janina Steinert einen Bogen zur COVID19-Pandemie. Hier konnte auch ein globales Ungleichgewicht bei der Verteilung von Impfstoffen beobachtet werden. Doch wie es Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, formulierte "No one is safe until everyone is safe". Man kann davon ausgehen, dass es globale Verteilungsgerechtigkeit von Medikamenten und Impfstoffen braucht, um Pandemien effektiv Einhalt zu gebieten.
Das gesamte Interview steht auf der Seite von Deutschlandfunk Kultur zum Nachhören und als Download bereit.
Janina Steinert leitete auch das Forschungsprojekt "Einfluss der COVID19-Pandemie auf Kindesheitrat, Sexulle und Reproduktive Gesundheit und Häusliche Gewalt in Indien und Sambia".
Im Team von Janina Steinert ist auch Nikolay Lunchenkov. Er arbeitet aktuell an seiner Promotion zum Thema Sexualized Drug Use Among Gay and Bisexual Men in Kazakhstan: a Mixed Methods Study of Prevalence, Reasons for Engagement and Associated Risk Factors.