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Rebooting Social Media? Eine Herausforderung für Recht, Politik und Gesellschaft

Veranstaltungsbericht |

Vergangene Woche haben der TUM Think Tank und die Professur für Public Policy, Governance und Innovative Technologie gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz zwei Veranstaltungen im Rahmen des Reboot Social Media Lab durchgeführt.

Ziel war es, verschiedene Expert:innen mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenzubringen, die sich mit der Erforschung und Verfolgung von hatespeech online beschäftigen.

31. Januar 2023 - Abendliche Podiumsdiskussion im Bayerischen Justizpalast

In einer lebhaften Podiumsdiskussion, moderiert vom Bayerischen Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich und Prof. Urs Gasser, diskutierten unsere drei Gäste Teresa Ott, Referentin für Hate Speech bei der Generalstaatsanwaltschaft, Anna Wegscheider, Rechtsbeirätin bei HateAid, und Svea Windwehr, Policy Analystin bei Google, über die Auswirkungen des Digital Services Act (DSA) auf Verfolger, Plattformen und Nutzer:innen. Es ist unmöglich, eine vollständige Zusammenfassung zu geben, aber hier sind einige der wichtigsten Ergebnisse der Debatte:

  • Während die EU-weite Harmonisierung durch den DSA als großes Potential identifiziert wurde, wurden auch einige Rückschritte gegenüber dem NetzDG genannt, wie z.B. die fehlende Einbeziehung von Löschfristen oder konkrete Details zur Durchsetzung bei Verstößen durch Hassrede.
  • Generell sind die internen Abläufe bei den großen Plattformen in Bezug auf die Praxis der Inhaltsmoderation sowohl für die Strafverfolger als auch für die Opfer von Online-Hass immer noch eine "Black Box" - ein Umstand, der durch eine erweiterte Kooperation und Kommunikation zwischen den Akteuren verbessert werden könnte. 
  • Nur etwa zwei von zehn Online-Delikten werden derzeit angezeigt. Um Online-Hass vermehrt anzuzeigen und strafrechtlich zu verfolgen, muss das Bewusstsein für digitale Gewalt weiter gestärkt werden - nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in Justiz und Strafverfolgung. Spätestens mit steigender Zahl der gemeldeten Fälle werden auch zusätzliche Ressourcen für die zuständigen Behörden notwendig werden.

1. Februar 2023 - Multi-Stakeholder-Workshop im TUM Think Tank

Am nächsten Tag ging es weiter mit einem Workshop zum Thema hatespeech online und wie man effektiv dagegen vorgehen kann. An dem Workshop nahmen Akteure aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Unternehmen und dem öffentlichen Sektor teil. 

  • Die erste Sitzung konzentrierte sich auf die neuesten Erkenntnisse über Hassrede und Frauenfeindlichkeit im Online-Diskurs. Auf der Grundlage von Beiträgen von Yannis Theocharis, Janina Steinert und Jürgen Pfeffer (alle TUM & HfP) diskutierten die Teilnehmer:innen lebhaft über die Abwägung zwischen der Notwendigkeit drastischerer Formen der Inhalte-Moderation und der Redefreiheit als grundlegende Norm. Während ein breiter Konsens darüber herrschte, dass wir ein besseres Verständnis für die "Grauzone" der Hassrede entwickeln müssen - und wie wir damit umgehen können - war auch klar, dass einige Arten von Online-Verhalten nicht normal sein sollten. Es wurde auch hervorgehoben, dass Online-Hass von vergleichsweise wenigen verbreitet wird, die extrem laut sind und daher eine große Strahlkraft erlangen - mit Auswirkungen auf die Frage, für wen Maßnahmen zu entwickeln sind: die wenigen Hasser oder die große Masse?
  • Die zweite Sitzung befasste sich mit Fragen zur Umsetzung des DSA im Hinblick auf Online-Hass. Nach Inputs von Till Guttenberger (Bayerisches Staatsministerium der Justiz) und Teresa Ott (Beauftragte für Hassrede bei der Generalstaatsanwaltschaft) wurde u.a. diskutiert, wie die weitergehenden Maßnahmen des NetzDG nach Inkrafttreten des DSA aufrechterhalten werden können und wie Institutionen und Mechanismen in Zukunft gestaltet werden sollten. Darüber hinaus fragten sich die Teilnehmer:innen, wie Opfer und die Öffentlichkeit stärker dafür sensibilisiert werden können, Hassreden häufiger zu melden.
  • Die dritte Sitzung befasste sich mit der Handhabe von Hassrede jenseits rechtlicher Fragen. Hier sprach Christian Djeffal (TUM) über partizipative Formen der Inhalte-Moderation gemeinsam mit den Nutzer:innen, während Sandra Cortesi (Universität Zürich & Berkman Klein Center for Internet & Society an der Harvard University) einen Überblick darüber gab, wie man Kindern die entsprechenden Fähigkeiten beibringen kann, um sich in Online-Diskursen und auf Social-Media-Plattformen zurechtzufinden. Die großen Fragen konzentrierten sich hier auf die Suche nach dem goldenen Mittelweg zwischen Bildung und Regulierung - was jedoch wahrscheinlich kein "entweder/oder" ist - sowie auf die Frage, wer am besten in der Lage ist, Bildungsinhalte zu schaffen, wobei hervorgehoben wurde, dass alle relevanten Akteure an Bord sein müssen.

Fortsetzung des Gesprächs über die „Aktualisierung der Betriebssysteme unserer Gesellschaften“

Die engagierten Diskussionen haben gezeigt, dass wir mehr Veranstaltungen dieser Art brauchen, die Akteure aller Sektoren einbeziehen, um neue Perspektiven zu eröffnen sowie einander zuzuhören und voneinander zu lernen. Wir freuen uns sehr darauf, diese Diskussion in den nächsten Wochen und Monaten in unserem Reboot Social Media Lab fortzusetzen. Wenn Sie daran interessiert sind, an dieser Diskussion über die „Aktualisierung der Betriebssysteme unserer Gesellschaft“ (Urs Gasser) teilzunehmen, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

Unser besonderer Dank geht an alle, die mit ihrer Teilnahme und Unterstützung zum Erfolg dieser Veranstaltung beigetragen haben!