Nach dem Anstieg der gemeldeten Fälle von Partnerschaftsgewalt in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 ist die Zahl laut Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2022 wieder um 9,4% auf 157.550 Fälle gestiegen. Das RedaktionsNetzwerk Deutschland führte ein Interview mit Janina Steinert, um diesen Trend zu kontextualisieren.
Janina Steinert betonte, dass die vom BKA gemeldeten Zahlen nur die Spitze des Eisbergs der tatsächlichen Gewaltfälle darstellen. In ihrer Studie zur Prävalenz von Partnerschaftsgewalt während des ersten COVID-19-Lockdowns in Deutschland konnte Janina Steinert zeigen, dass weniger als 10% der von Gewalt betroffenen Frauen tatsächlich Hilfe bei Beratungsstellen oder in Frauenhäusern suchten oder die Polizei kontaktierten. Das Dunkelfeld von tatsächlichen Gewaltfällen ist also wahrscheinlich deutlich höher als die von dem BKA berichteten Fälle.
Janina Steinert erklärte, dass ein möglicher Grund für den Anstieg in der Partnerschaftsgewalt der finanzielle Druck und die Ängste sein könnten, denen viele Familien aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des Krieges in der Ukraine ausgesetzt sind. Weitere Faktoren könnten Alkoholmissbrauch als Folge von erhöhtem finanziellen Stress und damit ein höheres Aggressionspotenzial in Haushalten sein.
Janina Steinert wies außerdem darauf hin, dass wirksame Präventionsmaßnahmen nicht nur die betroffenen Frauen, sondern auch ihre Familien, ihr soziales Umfeld und potenzielle Täter berücksichtigen müssen. Da Gewalterfahrungen in der eigenen Kindheit ein starker Prädiktor für Gewalterfahrungen sowie die Gewaltausübung im Erwachsenenalter sind, könnten schulische Programme zur Sensibilisierung für das Thema eine wirksame Maßnahme zur Verringerung von häuslicher Gewalt darstellen.
Das gesamte Interview ist auf der Webseite des RND nachlesbar.
Wenn Sie an der Thematik interessiert sind, können Sie die Webseite von Janina Steinerts Forschungsprojekt "The Impact of COVID-19 on Violence against Women and Children in Germany" besuchen und oder dessen Zusammenfassung für Laien sowie den Forschungsartikel als Open-Access-pdf auf der Webseite des Institutional Repository for Information Sharing (iris.) der WHO nachlesen.