Der Deutsche Bundestag muss schrumpfen – das fordern sowohl Spitzenpolitiker:innen als auch die Öffentlichkeit. Seit über zwei Jahrzehnten sucht die Politik jedoch bereits nach einem Kompromiss, um den Bundestag auf eine Sollgröße von 598 Sitzen zu reduzieren, ohne dabei aber die Proportionalität der Stimmenwiedergabe und die Repräsentation der Wahlkreise zu gefährden – ein Trilemma. So sprechen sich Parteien mit regionaler Stärke vornehmlich dafür aus, die Wahlkreisregelung beizubehalten, während andere die Proportionalität priorisieren. Die Angst davor, dass das eigene Lager durch eine Neuregelung Sitze verliert, ist groß.
Dr. Tobias Rommel (Lehrstuhl für Internationale Beziehungen an der HfP) hat gemeinsam mit Dr. Pascal Langenbach (Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern) und Prof. Lukas Haffert (Universität Genf) die Präferenzen deutscher Wahlberechtigter hinsichtlich der im März 2023 verabschiedeten Wahlrechtsreform untersucht. Befragt wurden 1 717 Wahlberechtigte.
Das Ergebnis: Wahlberechtigte erkennen das Trilemma. Obwohl die drei normativen Ziele – Proportionalität, Wahlkreisrepräsentation und eine feste Größe des Bundestags – jeweils einzeln eine Mehrheit erhalten, erreicht keine Kombination von zwei Zielen eine Mehrheitsunterstützung. Folgerichtig scheint klare Kommunikation ein wichtiger Faktor zu sein, um die Akzeptanz von Reformen zu fördern. „Wahlberechtigte verstehen und akzeptieren notwendige Kompromisse, wenn sie über die Problematik und Zielkonflikte informiert sind“, so Tobias Rommel von der HfP. Auch begrenztes Wissen über das Wahlsystem fiele dann weniger ins Gewicht.
Abgesehen von AfD-Anhängern – die sowohl das bestehende System als auch Reformen ablehnen – erkennen Wahlberechtigte unabhängig von ihrer Partei-Präferenz die Notwendigkeit einer Wahlrechtsreform an, so das Ergebnis der Studie. Abstrakte Prinzipien können für Wahlberechtigte also durchaus wichtiger sein als parteipolitische Überlegungen.
Hier geht’s zum wissenschaftlichen Artikel:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0261379424000556