Zusammenfassung:
Wir untersuchen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf häusliche Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Jahr 2020. Die Analyse stützt sich auf drei Datenquellen:
(1) Längsschnittdaten aus Verwaltungsstatistiken zum Volumen der Hilfsanfragen bei Hotlines, Frauenhäusern und Beratungsstellen,
(2) Querschnittsumfragedaten, die während der ersten Welle der Pandemie erhoben wurden, und
(3) eine qualitative Online-Umfrage mit Berater:innen und Expert*innen für häusliche Gewalt.
Die Anzahl gewaltbezogener Anfragen bei Hotlines stieg mit den ersten physischen Distanzierungsmaßnahmen signifikant um 34 %, während ambulante Hilfsdienste wie Frauenhäuser erst nach Aufhebung der Kontaktbeschränkungen einen Anstieg der Hilfsanfragen um 14 % verzeichneten. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Betroffene vermehrt von ambulanten Hilfsangeboten auf Hotlines ausgewichen sind. Wir beobachten keine verstärkte Gewalt in Bundesländern mit stärkeren Mobilitätsbeschränkungen, geringerer Verfügbarkeit von Kinderbetreuung oder höheren COVID-19-Infektionszahlen. Allerdings legen unsere Querschnittsdaten auf Haushaltsebene nahe, dass häusliche Quarantäne und finanzielle Notlagen Auslöser von Gewalt gewesen sein könnten. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung niedrigschwelliger Online-Beratungsangebote für Betroffene von Gewalt sowie staatlicher finanzieller Hilfspakete.
Link: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0167268124004931#fig4